Maik Korreng lehnt die Teleskopleiter ein drittes Mal an eine hohe Rotbuche und steigt die 3 Meter nach oben, während die Kinder unten erwartungsvoll zu ihm hinaufschauen. Kein Mucks ist zu hören im spätsommerlichen Mischwald in der Niederlausitz, am zweiten Tag unserer Reise.
Vorsichtig schaut der Fachmann mit einer speziellen Lampe in die schmale Einflugöffnung am Kasten. Wieder nichts. Doch plötzlich weicht er zurück, macht einen Satz nach unten und landet
sicher auf dem weichen Waldboden. Oben schwirren ein paar aufgeschreckte Hornissen, die das Quartier verteidigen, was eigentlich nicht für sie bestimmt war.
Noch ein viertes Mal steigt er nach oben, während sich bei der Gruppe langsam Zweifel breit machen ob es heute noch klappen wird. Aber dann sehen wir, wie Maik vorsichtig nach unten steigt,
die Höhle in der Hand. Langsam öffnet er die Klappe und alle können das Innere bestaunen.
Unter dem Dach hängen dichtgedrängt Mütter und Kinder der Fransenfledermaus. Ein flauschiges Gewimmel. Sie protestieren offensichtlich lautstark mit aufgerissenen Mündern gegen die Störung – unhörbar jedoch für uns, da ihre Laute im Ultraschallbereich liegen. Wir können ihre spitzen Zähne erkennen, mit denen sie ausschließlich Insekten fressen. Sie fliegen nicht davon, sondern klammern sich an die Decke und aneinander, so dass wir das Wunder einige Minuten bestaunen können. Für fast alle von uns ist es das erste Mal, den fliegenden Säugetieren so nah zu sein und dementsprechend tief beeindruckend. Die Mythen über Fledermäuse als unheimliche Blutsauger verblassen beim Anblick dieser beeindruckenden Tiere. Diese kleinen Flugkünstler haben kleine Härchen (Fransen) an ihrer Schwanzflughaut, was ihnen den Namen gab.
Als der Kasten wieder verschlossen an seinem Platz hängt, haben wir auch bei der fünften Kastenkontrolle Glück und wecken eine kleine Mückenfledermaus in ihrem Unterschlupf. Sie ist nur
5 cm groß und lässt sich verschlafen auf der behutsamen Hand des Fledermausschützers bestaunen.
In Brandenburg gibt es 19 der in Deutschland lebenden 25 Fledermausarten, erfahren wir. Alle sind streng geschützt und ihr Bestand ist durch den Verlust ihrer angestammten Quartiere und den
Rückgang der Insekten stark gefährdet. Maik Korreng leitet die Initiative Fledermausschutz im Landkreis Elbe-Elster und arbeitet seit Jahren aktiv und ehrenamtlich im Fledermausschutz. Sein
geballtes Wissen lässt keine Frage der Kinder unbeantwortet. So gibt es zum Beispiel auch Fledermäuse, erzählt er, die auch mal zu Fuß unterwegs sind, um Laufkäfer zu jagen - das Große
Mausohr, das wir spät in der Nacht noch kennenlernen sollen.
Denn während wir, zurück auf dem Campingplatz, gemeinsam Abendbrot essen, die Kinder nicht müde werden, die kleinen Fische aus dem Naturteich zu keschern und zu beobachten, Tischtennis oder Volleyball spielen, bereitet der Fledermausexperte auf einer nahegelegenen Waldkreuzung Richtung Ursulagrund, in der Dämmerung den Fledermausfang vor.
Um kurz nach 21 Uhr machen wir uns auf den Weg zu ihm in den finsteren Wald. Und schon wieder wartet etwas Außergewöhnliches und Beeindruckendes auf uns.
Im Scheinwerferlicht der Kopflampe erkennen wir 10x8 Meter hohe gespannte Netze, die in dem nächtlichen Wald eine Art Bühne schaffen, für das Ereignis, an dem wir gleich teilhaben dürfen.
Die Netzte sind wie Spinnenweben, hauchzart und fast nicht zu spüren. In ihnen hat Maik während der Dämmerung 5 verschiedene Arten fangen können. Unter anderen auch die Mopsfledermaus, die in der Roten Liste Brandenburg als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft und die Lieblingsfledermaus des Experten ist. Jetzt werden ihre hauchdünnen Flughäute von uns bestaunt. Unruhig hüpft die kleine Dose auf der Waage mit ihrem lebenden Inhalt, denn bevor wir die Tiere wieder in den Nachthimmel entlassen, werden sie noch gewogen, vermessen, beringt und die Daten sorgfältig vermerkt. Ein Großes Mausohr landet bei seiner Freilassung erstmal auf dem T-Shirt eines Kindes. Alle sind fasziniert, aber niemand ist verängstigt. Wir sind uns einig: Fledermäuse sind fantastische Tiere mit beeindruckenden Fähigkeiten.
Ein ereignisreicher Tag geht zu Ende aber die Kinder haben noch Zeit für ein Nachtprogramm bei dem viel gespielt und gelacht wird unter dem Sternenhimmel, den man hier von Wald umrandet besonders gut sehen kann.
Am Sonntagmorgen machen wir uns auf zum Bogenschießen. Auf unserem kurzen Waldweg halten wir nach Pilzen Ausschau und finden eine kleine Erdkröte. Ein kurzes Fotoshooting und weiter geht es bergauf bis zum Bogenschießplatz auf einer Lichtung. Die Kinder sind mit Eifer dabei und unter guter Anleitung werden sie treff- und selbstsicherer.
Dann Mittagessen, packen, aufräumen und Volleyball spielen- alles draußen und mit einem guten Team- was für ein Geschenk!
Das Essen haben wir diesmal wieder selbst gemacht und auch zum großen Teil in unserem NAJU-Garten selbst angebaut und geerntet. Kürbis, Zwiebeln, Karotten, Knoblauch, Kartoffeln, Tomaten, Gurken, Johannisbeeren.
Und wieder einmal ist die Erkenntnis der Reise, dass Wissen keine Erfahrungen und Erlebnisse ersetzten kann und dass viel ehrenamtliches Engagement und Unterstützung der Eltern eine solche Reise erst möglich machen.
Danke Annet, Barbara, Luca, Regina, Jochen, Tanja und natürlich vielen Dank auch an die Irmgard und Michael ABS Stiftung, die unser Vorhaben dieses Jahr finanziell unterstützt hat.
Text: Annette Prien, 21.09.2023